Die Samen sind das einzige europäische Urvolk, das seit tausenden von Jahren in großen Teilen Skandinaviens lebt. Aber obwohl Norwegen, Schweden und Finnland sich auf die Fahne geschrieben haben, die Rechte der Samen zu stärken und ihre Sprache und Kultur zu schützen, herrschen in der breiten Bevölkerung zumeist Unwissen oder im schlimmsten Fall Klischees vor.
Auch Skandinavienreisende und Auswanderer wissen oft nichts oder nur wenig über die Samen und ihr Land, Sápmi, denn auch in Lehrbüchern und Reiseführern, wird das Urvolk oft nur am Rande erwähnt. Dies führt zu unbeabsichtigtem Klischeedenken. Um dem vorzubeugen, findet ihr hier Antworten auf die 5 gängigsten Klischees und Mythen über Samen.
- Alle Samen wohnen in Zelten (oder kåtor) und züchten Rentiere
Rentierzucht ist am häufigsten mit der samischen Lebensart assoziiert. Einige Zeit lang galten vor dem schwedischen Gesetz auch nur diejenigen als Samen, die Rentierzucht betrieben. Allerdings hat es immer auch schon Samen gegeben, die von Fischfang und der Jagd lebten und keine Rene züchteten. Da die Preise, die für Rentierprodukte gezahlt werden, drastisch gefallen sind, bräuchte es heutzutage sehr große Herden von mehreren hundert Tieren, um ausschließlich von der Rentierzucht leben zu können. Bei 80-100.000 Samen ist dies schwer möglich. Die meisten Samen haben andere Berufe, sind Lehrer, Ärzte, Handwerker oder Büroangestellte.
Dementsprechend leben sie, wie alle anderen Leute, in Wohnungen und Häusern in den Städten oder auf dem Land. Auch die Samen, die Rentierzucht betreiben, haben in der Regel eine feste Unterkunft und verbringen nur zu den Zeiten, in denen das Ren gesammelt und markiert wird, einige Nächte in Hütten oder Zelten.
- Alle Samen tragen Kolt
Die samische Nationaltracht tragen die meisten Samen gern und mit Stolz. Meistens zu Feiertagen wie Hochzeit, Taufe, Konfirmation oder dem Nationaltag. Je nach Muster und Art gibt sie Hinweise auf die geographische Herkunft und Familie des jeweiligen Trägers. (Deshalb empfinden es die Samen auch nicht als angemessen, wenn Leute mit nicht-samischem Ursprung samische Tracht tragen.)
Im Alltag greifen die Samen jedoch auch auf Jeans, Pullover und Gummistiefel zurück wie alle anderen auch. Viele tragen dazu hingegen andere Zeichen, die auf ihre samische Herkunft hindeuten, wie zum Beispiel Schals und Halstücher in den samischen Farben oder Schmuck.
Der Kolt ist nur ein sichtbares Zeichen der samischen Identität. Samen, die sich gegen das Tragen der Nationaltracht entscheiden, sind deswegen nicht weniger samisch.
- Alle Samen sprechen Samisch
Diese Zeiten sind leider lang vorbei. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden die Kinder samischer Familien von Lehrern aus der Mehrheitsbevölkerung in Nomadenschulen unterrichtet. Dort war es ihnen verboten, Samisch zu sprechen oder auf samisch zu lesen und zu schreiben. Alles Samische wurde von den Lehrern als schlecht dargestellt, das es abzulegen galt. Dies führte dazu, dass die samischen Kinder ihre Muttersprache nur noch rudimentär beherrschten oder sogar ganz verlernten. Die antrainierte Scham darüber Same zu sein, begleitete die meisten Samen auch noch als Erwachsene. Um den eigenen Kindern dieses Schamgefühl zu ersparen, haben sie mit ihnen nicht Samisch gesprochen (wenn sie es denn noch konnten).
Heute wollen die skandinavischen Länder die samische Sprache schützen. In Schweden ist Samisch eine der anerkannten Minderheitensprachen. Samische Kinder haben beispielsweise ein Recht auf muttersprachlichen Unterricht. Allerdings ist die Umsetzung dieses Rechts nicht immer gegeben. So wird zum Beispiel oft eine Mindestanzahl an Teilnehmern gefordert, was besonders in Gebieten, wo wenige Samen leben, nicht immer zu leisten ist. Oder samischsprachiger Unterricht wird nicht in der eigenen samischen Sprache angeboten.
Im Gegensatz zu allgemeinen Annahmen, gibt es nämlich nicht nur eine samische Sprache, sondern drei Hauptdialekte, die sich in zehn weitere Sprachen aufsplitten. Die samischen Sprachen unterscheiden sich untereinander teilweise so stark wie Schwedisch und Deutsch.
Insgesamt spricht heutzutage nur noch ein Bruchteil der samischen Bevölkerung eine der samischen Sprachen. Manche samischen Dialekte sind bereits ausgestorben.
- Alle Samen bekommen Beihilfe und werden vom Staat versorgt
Besonders in den nördlichen Gebieten der skandinavischen Länder ist dieses rassistisch geprägte Vorurteil oft zu hören. Dabei werden oft die Begriffe Beihilfe und Entschädigung miteinander vermischt oder in einen Topf geworfen.
Die Beihilfe, die Schweden an samische Rentierzüchter zahlt, besteht zum Beispiel in einem Preiszuschlag für Renfleisch von ca. 15% des Umsatzes. Eine solche Beihilfe gibt es allerdings nicht nur für Samen, sondern beispielsweise auch für Milchbauern.
Bei der Raubtierentschädigung handelt es sich um Gelder, die der Staat den Samen für von Wildtieren gerissene Rentiere zahlt, oder für Rentiere die im Zusammenhang mit der Jagd von Raubtieren getötet werden.
- Die Samen verhindern Fortschritt und Entwicklung
Auch dies ist ein rassistisches und verallgemeinerndes Vorurteil, das leider auch von manchen Politikern bedient wird. Wenn beispielsweise in einer Region eine neue Eisenerzgrube eröffnet oder ein Wasserkraftwerk eröffnet werden soll, gibt es neben den Stimmen, die sich über neue Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum freuen, auch immer Stimmen, die Bedenken äußern. Sei es aus ökologischer Sicht und/oder weil eigene wirtschaftliche Interessen dagegen stehen. Dies kann bei Rentierzüchtern der Fall sein, wenn Zufahrtsstraßen zu Fabriken, oder auch Kraftwerke selbst, genau dort gebaut werden sollen, wo die Rentierherden weiden.
Allerdings sind nicht nur Samen Rentierzüchter, zweitens gibt es nicht „die“ Samen – innerhalb der Volksgruppe gibt es wie überall unterschiedliche Meinungen zu verschiedenen Themen, und drittens gibt es auch Norweger, Schweden und Finnen, die nicht mit jedem Bauvorhaben einverstanden sind.
Mehr Informationen zu den Samen findest du unter anderem unter diesen Links. Aus diesen Quellen stammen auch die Informationen in diesem Blobeitrag.
Informationsmaterial – Samer.se
Tänk till – våga fråga?: Saker du aldrig vågat fråga en same! | UR Play